weniger ist mehr
Wie Stiftungen flexibel fördern können
Die allermeisten Stiftungen im deutschsprachigen Raum fördern vornehmlich projektbezogen. Laut dem Schweizer „Grantee Review Report“ gilt das für über 95 Prozent aller Förderungen. Für ein klar definiertes Vorhaben werden in einem festgelegten Zeitraum Mittel zur Verfügung gestellt, die nur für diesen Zweck verwendet werden dürfen. Das macht Organisationen unflexibel und kann dazu führen, dass sie ihre eigentlichen Ziele aus den Augen verlieren, weil ständig neue, innovative „Projekte“ lanciert werden müssen, um die Organisation am Leben zu erhalten. Zudem führen die Antrags- und Berichtspflichten, die mit einer Projektförderung verbunden sind, zu einem immensen Aufwand.
Demgegenüber steht ein zunehmend diskutiertes Fördermodell, bei dem Organisationen ungebundene Mittel erhalten, über die sie frei verfügen können. So hat die amerikanische Philanthropin MacKenzie Scott mit ihrer Initiative Yield Giving seit 2019 über 14 Milliarden US-Dollar an Hunderte von NGOs in den USA gespendet – ohne Anträge, ohne Auflagen und zur freien Verwendung, weil, wie sie sagt, die NGOs die wahren Expert*innen sind, die am besten wissen, wo die Mittel gebraucht werden.
Zwischen einem „Unrestricted Funding“ dieser Art und einer starren Projektbindung auf der anderen Seite gibt es ein großes Kontinuum an Möglichkeiten, wie Förderbeziehungen gestaltet werden können. Der von der Initiative #VertrauenMachtWirkung herausgegebene Leitfaden „Ungebundene Förderung: Wie sieht die Praxis aus?“ enthält dazu eine Übersicht, die hilft, die verschiedenen Möglichkeiten besser zu verstehen:
- Gebundene Projektförderung: Bezuschussung einzelner Budgetlinien oder Kosten innerhalb eines Projektes
- Ungebundene Projektförderung: die Förderung ist an ein spezifisches Projekt gebunden, aber nicht an einzelne Budgetlinien
- Ungebundene Programmförderung: die Förderung ist nicht an ein spezifisches Projekt gebunden, aber eingeschränkt auf einen Teil der Aktivitäten einer Organisation, z.B. für ein bestimmtes Thema, eine Zielgruppe oder eine Region
- Ungebundene Förderung: die Förderung ist an keinerlei Vorgaben gebunden, so dass die geförderte Organisation innerhalb ihrer Satzungszwecke frei über die Mittel verfügen kann.
Im Einzelfall können Satzungsvorgaben oder andere Erwägungen dafür sprechen, die Förderung eher restriktiv auszulegen. Generell aber gilt, dass Stiftungen versuchen sollten, die Förderung so flexibel wie möglich zu gestalten und nur so viele Einschränkungen bei der Verwendung zu machen, wie unbedingt nötig ist.
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Was sollten Stiftungen beachten, wenn sie über Zweck- oder Projektbindungen nachdenken?
So viel Kontrolle wie nötig, so viel Freiheit wie möglich
Viele Stiftungen haben den Impuls, den Förderpartnern möglichst enge Vorgaben zu machen und Förderungen grundsätzlich auf Projekte zu beziehen. Projektbindungen mögen in Einzelfällen gerechtfertigt sein, aber oft sind sie eher hinderlich und erzeugen unnötige Bürokratie.
- Stiftungen sollten bei jeder Förderung abwägen, wie viele Auflagen wirklich nötig sind, um die Interessen der Stiftung zu wahren. Sofern keine stichhaltigen Gründe für strikte Vorgaben sprechen, sollten Förderungen so flexibel wie möglich vereinbart werden.
- Zweck- oder Projektbindungen können durchaus ihre Berechtigung haben, zum Beispiel wenn eine Stiftung nur in einer bestimmten Stadt tätig ist und dort eine Organisation fördert, die auch überregional aktiv ist. Auch wenn Stiftungen nur einzelne Aktivitäten von besonders großen Organisationen unterstützen möchten, kann es Sinn machen, sich gemeinsam auf eine Projektbindung zu verständigen. In diesen Fällen hilft eine flexible und zeitgemäße Zweck- oder Projektbindung, um erfolgreich und mit weniger Aufwand zu arbeiten.
- Bei Förderungen an kleinere Organisationen, die ohnehin nur eine oder zwei Kernaktivitäten haben, sollten Stiftungen nach Möglichkeit ganz auf Zweck- oder Projektbindungen verzichten.
Projekte gut auswählen
Das A und O der Förderung ist eine gründliche Prüfung der Partner und ihrer Projekte.
- Stiftungen investieren oft viele Stunden in die Prüfung von Projektanträgen – sollte man dann nicht den Ergebnissen der eigenen Recherchen vertrauen und den Partnern bei der Umsetzung entsprechende Freiheiten lassen?
- Eine gründliche wie angemessene Prüfung zu Beginn einer Förderung ist vertrauensbildend für beide Seiten. Fördernde bekommen Sicherheit, dass ihr Geld gut eingesetzt ist, und es fällt ihnen in der Folge leichter, Geförderten zu vertrauen und auf umfassende Kontrollmechanismen zu verzichten. Geförderte trauen sich wiederum eher, ihre Bedarfe anzusprechen.
Am Bedarf orientieren
Stiftungen legen zu Recht Wert darauf, ihre Förderungen am gesellschaftlichen Bedarf auszurichten. Ebenso wichtig ist es jedoch, auch die Bedürfnisse der Partnerorganisationen zu berücksichtigen, damit diese gut und effizient arbeiten können. Für die Wirkung einer Förderung ist die Frage, WIE gefördert wird, mindestens ebenso wichtig wie die Frage, WAS gefördert wird.
- Ist die Förderung eines Projekts das, was eine Organisation gerade am meisten voranbringt? Vielleicht hilft die Einstellung einer Person für das Fundraising oder eine Weiterbildung mehr, als ein neues Projekt aufzuziehen. Suchen Sie das direkte Gespräch und erkennen Sie Ehrlichkeit durch Förderung an – das schafft Vertrauen.
- Nur stabil aufgestellte Organisationen können erfolgreich arbeiten. Fördern Sie also nicht (nur) Projekte, sondern auch die Organisation – teilweise oder ganz. Das ist oft der bessere Weg, die von vielen Stiftungen gewünschte Nachhaltigkeit zu erreichen.
- Angemessene Verwaltungskosten sind übrigens ein Zeichen für seriös arbeitende Non-Profits. Eine Pauschale für den Overhead sollte daher selbstverständlich sein.
Längere Laufzeiten planen
- Fördern Sie auch nur die klassischen drei Jahre? Aber warum sollten erfolgreiche Projekte, die langfristig wirken, nur kurzzeitig gefördert werden? Längere oder wiederholte Förderungen ermöglichen Organisationen bessere Planbarkeit und reduzieren den Aufwand für die Förderakquise. So bleibt mehr Zeit zu wirken.
Projekte flexibel fördern
Es gibt immer wieder gute Gründe, warum Stiftungen Förderungen projektgebunden vergeben. Auch in diesen Fällen können Stiftungen ganz einfach dazu beitragen, unnötigen Aufwand zu vermeiden.
- Sofern es nicht durch die Stiftungssatzung vorgegeben ist, sollten Stiftungen unbedingt darauf verzichten, nur einzelne Budgetlinien oder nur bestimmte Kostenarten (bspw. „nur Sachkosten“) zu übernehmen. Wenn projektbezogen gefördert wird, dann sollte die Förderung ohne weitere Auflagen in das Projektbudget einfließen.
- Kluge Organisationen justieren ihre Projekte unentwegt – entweder, weil sie dazulernen und ihre Arbeit besser machen, oder weil sich das Umfeld ändert. Wenn Sie als Stiftung projektgebunden fördern, sollten Sie daher einen flexiblen Rahmen für Umwidmungen schaffen, Zielanpassungen im Projektverlauf ermöglichen und in Krisenzeiten proaktiv weitere Unterstützung anbieten.
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unrestricted funding / nicht projektbezogene Förderungen
Laut einer Umfrage des Stiftungspanels 2024 vergibt ein Drittel der Stiftungen in Deutschland institutionelle Förderungen, oft als Ergänzung zu der klassischen Projektförderung. „Institutionell“ bedeutet, dass die Förderung nicht an konkrete Projekte oder Aktivitäten gebunden ist. Die Mittel stehen der geförderten Institution zur freien Verfügung, so dass sie sie nach Bedarf im Rahmen ihrer Satzungszwecke einsetzen kann.
Die Überlegung dahinter ist ebenso einfach wie überzeugend: Die Förderpartner gewinnen mehr Sicherheit und Flexibilität, um schnell auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Zudem werden sie nicht durch bürokratische Vorgaben eingeschränkt, sondern können sich stattdessen auf das Wesentliche konzentrieren und belastbare Strukturen aufbauen. Gerade in Aufbau- oder Wachstumsphasen sind freie Mittel besonders wirkungsvoll.
Natürlich sind nicht-projektgebundene Förderungen kein Allheilmittel, noch sind sie passend für jede Situation und jede Organisation. Richtig eingesetzt stellen ungebundene Förderungen für Stiftungen jedoch einen effektiven Hebel dar, um mehr Wirkung zu erzielen und die Stiftungszwecke nachhaltig zu erreichen. Für die geförderten Organisationen sind diese Mittel außerordentlich wertvoll, weil sie damit wichtige Ausgaben finanzieren können, die nicht durch die projektgebundenen Förderungen abgedeckt sind, die typischerweise den Löwenanteil im Finanzierungmix ausmachen.
Die folgenden Tipps und Hinweise sind in einer Arbeitsgruppe von Stiftungspraktiker:innen aus Deutschland und der Schweiz entstanden, die sich 2024/25 in mehreren Runden zu den praktischen Herausforderungen beim „unrestricted funding“ ausgetauscht haben.
Partner
- Viele Stiftungen machen die Erfahrung, dass ungebundene Förderungen vor allem mit kleineren oder mittelgroßen Organisationen gut funktionieren. Diese Zielgruppe eignet sich auch als „Einstieg“ in das unrestricted funding gut, weil sie typischerweise ohnehin nur eine oder zwei Kernaktivitäten haben, so dass der Schritt von der Projekt- zur Organisationsförderung nicht groß ist.
- Das zentrale Kriterium für die Vergabe einer ungebundenen Förderung ist die „Reife“ der Organisation. Nur wenn das Team sehr klar in seiner Ausrichtung und Vision ist und die geförderte Organisation das entsprechende mindset und die nötige Professionalität mitbringt, können ungebundene Förderungen ihr volles Potential entfalten.
- Oftmals ist eine ungebundene Förderung auch ein zweiter Schritt, der auf eine Projektförderung aufbaut. So lernen sich die Partner kennen und bauen das Vertrauen auf, das später in einer freien Förderung mündet.
Auswahl
Im Prozess der „due diligence“ ist die Vertrauensbildung mindestens so wichtig wie eine eingehende Prüfung. Es sollte keine reine Kontrolle sein, sondern der erste Schritt auf dem Weg zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Bei der Auswahl der Förderpartner steht bei ungebundenen Förderungen naturgemäß nicht mehr ein konkretes Projekt im Fokus. Der Blick richtet sich vielmehr auf die Organisation als Ganzes:
- Gibt es ein engagiertes und professionelles Leitungsteam, das die nötigen Kompetenzen und den nötigen „drive“ hat, um die Organisation nach vorne zu bringen? Sind die Gründer:innen noch aktiv und welche Rolle haben sie?
- Ist die Governance der geförderten Organisation angemessen und leistungsfähig?
- Verfügt sie über ein belastbares Finanzmanagement?
- Hat die Organisation ein überzeugendes Geschäftsmodell, das auf einem guten und ausgewogenen Finanzierungsmix beruht? Ist sie in der Lage, auch eigene Einnahmen zu erwirtschaften? Ein Blick in den Jahresabschluss verrät zudem, ob die Organisation Rücklagen für schwierige Zeiten hat.
- Hat die Organisation eine klare Wirkungsorientierung? Gibt es einen realistischen und ambitionierten Plan für die nächsten Jahre und kann sie die Wirkung ihrer Aktivitäten durch externe Evaluationen belegen?
Es ist übrigens für beide Seiten hilfreich, Referenzen oder Prüfberichte bei Stiftungen oder anderen Gebern einzuholen, die die betreffende Organisation bereits fördern. Der geförderten Organisation spart das Aufwand und die Stiftung erhält eine unabhängige zweite Meinung.
Mittelverwendung
- Oftmals sind geförderte Organisationen unsicher, wie sie die Mittel einer freien Förderung genau verwenden können. Eine Leitlinie zur Mittelverwendung schafft hier Sicherheit für alle Seiten.
Wirkung und Berichte
Ein zentrales Argument für ungebundene Förderungen ist, dass sie mehr Wirkung entfalten, weil die Partnerorganisationen mit weniger Bürokratie zu kämpfen haben. Es ist allerdings nicht leicht, die Wirkung einer freien Förderung konkret festzumachen.
- Grundsätzlich ist die Wirkungsorientierung mindestens so wichtig wie die Wirkungsmessung. Entscheidend ist, dass die Organisation glaubhaft zeigen kann, dass sie ihre Aktivitäten konsequent am gesellschaftlichen impact ausrichtet.
- Zielvereinbarungen haben sich als gutes Mittel bewährt, um freie Förderungen zu steuern – nur dass die Meilensteine nicht an einzelne Projektmaßnahmen, sondern an übergeordnete Ziele gebunden sind. Diese Ziele können sowohl auf der Ebene der Aktivitäten (z.B. „Aufbau von 5 neuen Standorten bis 2028“) als auch auf der Ebene der Organisation (z.B. „Aufbau eines Systems zur Wirkungsmessung“, „Nachfolgeprozess für die Gründergeneration“) angesiedelt sein. Wichtig ist es, die Ziele und Inhalte der Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Förderpartner zu erarbeiten und nicht einseitig vorzugeben.
- Beim controlling ersetzen Gespräche und ein regelmäßiger Austausch die Projektberichte. Oftmals wird dieser Austausch mit anderen Stiftungen/ Gebern koordiniert, die ebenfalls mit der betreffenden Organisation zusammenarbeiten.
- Um den Aufwand für die Berichte so schlank wie möglich zu halten, macht es Sinn, Unterlagen zu nutzen, die die Organisation ohnehin zur Verfügung hat. Insbesondere der Jahresabschluss vermittelt ein gutes und umfassendes Bild von der finanziellen Situation der geförderten Organisation.
- "trust-based philanthropy“ hat im Übrigen nichts mit blindem Vertrauen zu tun. Es ist wichtig, Rechenschaft einzufordern und sich fortlaufend davon zu überzeugen, dass die Organisation auf dem richtigen Weg ist, um die Ziele zu erreichen. Das schließt die Möglichkeit ein, eine Förderung wieder zu beenden, wenn die Stiftung zu der Überzeugung kommt, dass der Förderpartner die Erwartungen nicht erfüllt.
Rolle und Zusammenarbeit
- unrestricted funding ist eine partnerschaftliche Förderung, die auf Vertrauen und Wertschätzung beruht. Transparenz und Offenheit auf beiden Seiten sind eine wichtige Voraussetzung, ebenso wie eine klare Kommunikation der gegenseitigen Erwartungen.
- Häufig werden ungebundene Mittel auch kombiniert/ergänzt durch Maßnahmen zur Organisationsentwicklung und zum Kapazitätsaufbau, zum Beispiel durch Beratung oder Vernetzung. Mehr dazu im Kapitel 5: „Fördern mit mehr als Geld“
- Stiftungen, bzw. die Stiftungsmitarbeitenden, kommen bei ungebundenen Förderungen in eine neue Rolle: Sie erhalten recht exklusive Einblicke in die Organisation und sind oft in einem engen Austausch mit den Förderpartnern. Es ist durchaus ihre Aufgabe, Kritik und Anregungen zu formulieren, gerade zu Themen der Organisationsentwicklung und Strategie. Gleichzeitig müssen die Stiftungen aber auch die Autonomie und Expertise der Partner respektieren und eine kritische Distanz wahren.
exit
- Ungebundene Förderung haben typischerweise einen längeren Zeithorizont, der entweder von vornherein zugesagt oder durch mehrere aufeinanderfolgende Verträge umgesetzt wird.
- Wenn trotzdem irgendwann der Zeitpunkt kommt, die Förderung wieder zu beenden, ist es wichtig, eine sanfte Landung hinzulegen, um die bisherigen Erfolge nicht zu gefährden.
- Gerade bei größeren Förderungen, die für die geförderte Organisation eine strategische Bedeutung haben, ist es sehr ratsam, von Beginn an regelmäßig über das Ende zu sprechen: Wie kann ein Auslaufen gestaltet werden? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein? Was ist nötig, damit die Organisation danach gut weiterarbeiten kann?
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Beispiele aus der Stiftungspraxis
Sie kennen noch weitere Beispiele dafür, wie Stiftungen flexibel fördern? Dann lassen Sie es uns gerne wissen, damit wir die Sammlung ergänzen können: hallo@weniger-ist-mehr.org.
Mittel zum unabhängigen Lernen
- Die Robert Bosch Stiftung stellt Ressourcen für Ideenentwicklungsprozesse zur Verfügung, ohne dass damit schon ein konkretes Projekt verbunden ist: Die Entwicklung kann in ein Projekt münden, kann aber auch verworfen werden. Ziel ist, dass Organisationen Freiraum bekommen, um auf Lösungspotenziale zu stoßen, die über eine klassische Projektförderung nicht zum Vorschein kommen.
- Die The Light Foundation lässt Partner entscheiden, was zu fördern ist. Erst danach werden die Ziele definiert.
Führen über Zielvereinbarungen
- Die Liselotte Stiftung vergibt mehrjährige ungebundene Förderungen. Weil ungebunden nicht unverbindlich heißt, trifft die Stiftung mit den Partnern Zielvereinbarungen auf der Organisations- bzw. Programmebene, die dann Grundlage der Berichte sind.
- Die Arcanum Stiftung geht seit 2021 dazu über, ihre Partnerorganisationen in Freiburg/Schweiz mit ungebundenen Förderungen zu unterstützen. Da es sich um mittelgrosse Beiträge handelt, hofft die Stiftung, damit die Wirkung erhöhen zu können, weil die Partner weniger Aufwand und mehr Flexibilität haben. Die Stiftung vereinbart mit den Partnern Ziele, die regelmässig besprochen und bei Bedarf angepasst werden.
Mittel für strukturelle Wirkziele
- Die Unternehmerstiftung für Chancengerechtigkeit fördert Partner mindestens fünf Jahre mit ungebundenen Mitteln. Im Mittelpunkt stehen gemeinsam definierte strukturelle Wirkziele in den Bereichen Bildung, Teilhabe und Gesundheit. Anstelle von Kennzahlen werden einmal im Quartal in strukturierten Gesprächen Gelerntes und neue Bedarfe besprochen.
- Die NORDMETALL-Stiftung vergibt institutionelle Förderungen an Organisationen, die gemeinsame Ziele verfolgen (z. B. Jugendprojekte bei Musikfestivals oder Initiativen, die mit Ehrenamtlichen arbeiten).
- Die Max Kohler Stiftung ist davon überzeugt, dass Kulturinstitutionen Kinder und Jugendliche nachhaltig für die Künste begeistern können, wenn Vermittlung als Haltung in der gesamten Organisation gelebt und von der Leitung als integraler Bestandteil der Arbeit verstanden wird. Die Stiftung vergibt daher ungebundene Förderungen an Kulturinstitutionen, die diesen Weg auf vorbildliche Weise gehen oder gehen möchten.
- Die Azurit Foundation fördert insbesondere junge afrikanische Organisationen. In der Anfangsphase ist Flexibilität wichtig und ungebundene Fördermittel stehen Organisationen im Globalen Süden noch seltener zur Verfügung als in Deutschland. Nach einer sehr ausgiebigen Prüfung werden Fördermittel daher so flexibel zur Verfügung gestellt, wie es die rechtlichen Vorgaben ermöglichen. In der Regel wird sogar auf eine Antragstellung und Zielvereinbarungen verzichtet.
- Die Hans Weisser Stiftung fördert Initiativen, die ein Problem lösen oder Bekanntes besser machen. Oft nutzt die Stiftung eine zeitlich begrenzte Startförderung zum gegenseitigen Kennenlernen, bevor die Unterstützung in eine längerfristige Strukturförderung überführt wird. Es gibt jedoch kein Standardmodell der Förderung – die Wahl der passenden Form orientiert sich jeweils an der Frage, wie die Idee am besten zum Tragen gebracht werden kann und was die jeweilige Initiative wirklich braucht.
- Der Eleven e.V. setzt sich für Chancen- und Bildungsgerechtigkeit in Deutschland ein und hat hierzu eine Gemeinschaft aus aktuell elf Organisationen der Kinder- und Jugendförderung gebildet, deren Angebote sich entlang der Bildungskette ergänzen. Eleven fördert „seine“ Organisationen vorrangig institutionell, um ihnen im Rahmen gemeinsam formulierter übergreifender Ziele maximale Flexibilität bei minimalem Verwaltungsaufwand zu ermöglichen.
- Die Seedling Foundation hat die Erfahrung gemacht, dass Projektförderung oft zu kurz greift – damit können Stiftungen den engagierten Organisationen nicht die notwendige, nachhaltige Unterstützung anbieten. Kennen wir Organisationen noch nicht gut, starten wir oft für 1-2 Jahre mit einer Projektförderung. Bei gelungener Zusammenarbeit erweitern wir jeweils auf «unrestrictet Funding» über mehrere Jahre. Dieses Vorgehen gibt beiden Seiten Zeit fürs Kennenlernen und hilft bei der Entscheidungsfindung für eine künftige längere Zusammenarbeit.
Mittel für Organisationsentwicklung
- „Welches ist Ihr nächster Entwicklungsschritt als Organisation?“ Mit dieser Frage steigt die Olin gGmbH mit Förderpartnern ins Gespräch ein und vereinbart, welcher Bereich der Organisation gestärkt wird. In jährlichen Treffen besprechen die Partner, ob die Maßnahme Erfolg hat, und ändern sie, wenn es nötig ist. Ziel ist es, die Wirksamkeit der Organisation zu verbessern.
- Weitere Hinweise und Beispiele, wie man die Partnerorganisationen ganzheitlich stärken kann, finden Sie in Kapitel 5 „Fördern mit mehr als Geld“
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Rechtliche Mindestanforderungen
Rechtliche Mindestanforderungen / Deutschland
Gemeinnütigkeitsrechtlich dürfen Stiftungen ihre Mittel anderen Organisationen zuwenden, solange diese steuerbegünstigt sind. Dabei muss der Zweck der anderen Organisation weder ganz noch teilweise mit dem eigenen Stiftungszweck identisch sein. Diese Regelung erleichtert zweckungebundene Förderungen enorm, weil die Stiftung nicht mehr sicherstellen muss, dass ihre Mittel für einen bestimmten Zweck verwendet werden.
Zivilrechtlich sind die Organe rechtsfähiger Stiftungen an die Satzung gebunden, insbesondere an den Stiftungszweck. Darüber hinaus kann die Satzung aber auch verbindliche Regelungen zur Art der Zweckerfüllung enthalten, etwa indem sie ausdrücklich nur Projekt- oder Anschubfinanzierungen zulässt. Soweit die Satzung keine Details regelt, ist es Aufgabe der Gremien, zu entscheiden, welche Art der Zweckverwirklichung dem Stifterwillen am besten entspricht. Dabei haben sie ein weites Ermessen, das von der „Business Judgement Rule“ gedeckt ist.
Rechtliche Mindestanforderungen / Schweiz
Gegenüber welchen Destinatären, in welcher Art und Weise sowie in welchem Umfang die Stiftung Leistungen erbringt, ergibt sich aus den Vorgaben in der Stiftungsurkunde oder in den Reglementen. Bei steuerbefreiten Stiftungen müssen überdies die die Fördertätigkeit betreffenden Voraussetzungen (Allgemeininteresse, Uneigennützigkeit) des Kreisschreibens Nr. 12 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 8. Juli 1994 beachtet werden.
Innerhalb dieser Vorgaben steht es im Ermessen der Stiftungsrät*innen, die passende Form der Förderung zu wählen.
Laut Swiss Foundation Code (SFC) können das projektgebundene oder institutionelle Förderungen à fonds perdu sein oder sogar investive Finanzleistungen wie „(zinslose) Darlehen oder der Erwerb von Anteilen am Eigenkapital des Destinatärs“, also Formen, die per se nicht an bestimmte Projekte oder Aktivitäten gebunden sind. (SFC, Empfehlung 16)
NB: Der „Swiss Foundation Code“ formuliert Good-Governance-Richtlinien für Stiftungen. Er spricht Empfehlungen, aber keine zwingenden Bestimmungen aus.
Rechtliche Mindestanforderungen / Liechtenstein
Auch für Liechtenstein gilt: Massgeblich sind allein die Stiftungsdokumente (Statut, Reglemente, allfällige Beistatuten). Solange diese keine Vorgaben enthalten, ist die Stiftung frei darin, im Rahmen der zweckentsprechenden Mittelverwendung auch projektungebunden, also institutionell, zu fördern.
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Mustertexte und Vorlagen
Bei einer nicht-projektgebundenen Förderung herrscht oft Unsicherheit, welche Richtlinien für die Mittelverwendung gelten. Die XXX Stiftung hat dazu einen Leitfaden entwickelt, den sie den Förderpartnern zur Verfügung stellt.
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Ansprechpartner:innen
Die folgenden Personen aus dem Autor:innen-Team stehen Ihnen gerne für Rückfragen und weitere Auskünfte zum Thema "wie können Stiftungen flexibler fördern" zur Verfügung, insbesondere zu den Beispielen der betreffenden Stiftungen:
- Michaela Wintrich, Unternehmerstiftung für Chancengerechtigkeit
- Silke Breimaier, Robert Bosch Stiftung
- Karsten Timmer, Arcanum Stiftung, Liselotte Stiftung
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Webtalks #ImpulseStiften zum Thema Projektbindungen
„Projektförderung – Ursprung allen Übels in der Stiftungswelt?“ war die Leitfrage des Webtalks #ImpulseStiften am 22.6.2021. Hören Sie gerne rein!
Im Webtalk #ImpulseStiften ging es am 30.11.2021 um das Thema „Partner stärken: Kernfinanzierung & Capacity Building“. Zwei Stiftungen stellen vor, wie sie diese Strategie in der Praxis umsetzen.
Hören Sie gerne rein!
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Literatur
Im Webtalk #ImpulseStiften zum Thema „Projektförderung – Ursprung allen Übels in der Stiftungswelt?“ wurden zwei Präsentationen vorgestellt, die das Für und Wider der Projektbindung aufgreifen:
- Peter Schubert: Institutionelle Förderungen von Stiftungen: eine Untersuchung zur aktuellen Förderpraxis sowie den Präferenzen von Entscheidungsträgern/-innen
- Pamala Wiepking: Unrestricted funding
#VertrauenMachtWirkung hat 2025 einen kompakten Leitfaden zum Thema ungebundene Förderungen veröffentlicht
Die amerikanische Organisatin GEO ("Grantmakers for Effective Organizations") hat im Mai 2022 einen Leitfaden zu flexiblen, langfristigen Förderungen veröffentlicht
Das Center for Effective Philanthropy (CEP) hat in 2022 eine erste Auswertung zu den "unrestricted grants" von MacKenzee Scott veröffentlicht:
Das Institute for Voluntary Action Research (IVAR) aus Großbritannien hat 2023 die Argumente für "unrestricted funding" zusammmengetragen: